Stadtentwicklungsprogramm auf der langen Bank
Gemeinderat vertagt Entscheidung zur Bürgerbeteiligung / Scharfe Kritik aus dem Gremium an der Verwaltung

Da half kein Bitten und Betteln. Der Gemeinderat hat nicht genehmigt, dass die Verwaltung jetzt zusammen mit der Fortschreibung des Flächennutzungsplans auch ein neues Stadtentwicklungsprogramm bis 2040 (STEP 2040) aufgleist. Im Prinzip hatte der Gemeinderat es eigentlich schon im November beschlossen. Nun aber überwog die Sorge, man werde Wünsche in der Bevölkerung wecken, die man nicht erfüllen könne.
Schramberg. Nach heftigen Diskussionen, die zum Teil in persönlichen Angriffen auf städtische Mitarbeiter mündeten, hat der Rat einen Beschluss schließlich vertagt.
Schramberg. Eigentlich ging es nur um die Genehmigung durch den Gemeinderat, das Stadtentwicklungsprogramm weiter auszuarbeiten und dabei die Öffentlichkeit zu beteiligen. „Wie soll Schramberg in 15 Jahren aussehen?“ Darum gehe es, so Stadtplaner Joschka Joos. Das wolle die Verwaltung „nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern mit der Bevölkerung“ herausfinden.

Flächennutzungsplan und Stadtentwicklungsprogramm parallel erneuern
Das aktuelle Stadtentwicklungsprogramm „STEP 2020+“ sei 16 Jahre alt und müsse auf den neuesten Stand gebracht werden. Da auch der Flächennutzungsplan (FNP) für die Pläne auf dem Schießacker grundlegend erneuert werden muss, biete es sich an, beides parallel zu erledigen. Sehr viele der erforderlichen Arbeiten für den FNP könne man auch für STEP 2040 verwenden. Für den Innovationspark und den FNP arbeite ein Fachmann in der Verwaltung bereits. Er könne STEP 20240 mit betreuen, warb Joos.
Dafür schaue man sich die Einwohnerzahlen an, die Finanzen, Umwelt und Soziales. Zunächst analysiere man die Entwicklung und lege dann die Ziele fest. Es gehe nicht darum, sich lauter neue Projekte vorzunehmen, betonte Joos, „sondern wir schauen, was brauchen wir wirklich“. Auch sollten Prioritäten festgelegt werden. STEP sei die Grundlage für alle weiteren Pläne wie beispielsweise Bebauungspläne oder Sanierungsgebiete.

STEP ist für Anträge wichtig
Auch wenn die Stadt Fördermittel zur Stadtentwicklung beantragen oder ein neues Sanierungsgebiet wünsche, erwarte der Zuschussgeber in der Regel ein STEP.
Die Verwaltung wollte deshalb im Mai und Juni vier Workshops in den Stadtteilen organisieren. Außerdem sollte ein Online-Kartentool im April freigeschaltet werden, damit Bürger „von zuhause aus Wünsche, Anregungen und Ideen einbringen“ könnten. Würde man STEP nun nicht weiterverfolgen und fünf Jahre liegen lassen, „können wir grade von vorne anfangen“, warb Joos um Zustimmung.
Heftiger Widerspruch
Clemens Maurer (CDU) hatte eine längere Erklärung vorbereitet und lehnte die Pläne im Namen seiner Fraktion ab. Die Verwaltung solle „frühestens in einem, spätestens in zwei Jahren“ wieder auf den Rat zukommen. Mit Blick auf die Sulgener Hallenschließung meinte er, es werde überdeutlich, dass der Hochbau im Argen liege. Zu viel sei liegengeblieben.
Man wolle der Verwaltung „in aller Klarheit“ mitteilen, sie möge „zunächst und zuvorderst den Sanierungsstau mit allen Mitteln und Ressourcen“ angehen. „Es ist nicht mehr zu vermitteln, dass Sie mit Bürgerinnen und Bürgern Entwicklungsgespräche in Stadtteilen führen und schöne Pläne zeichnen, wenn Sie gleichzeitig Hallen schließen, Schuldecken offen sind und weitere Sanierungen fehlen“, machte Maurer seinem Unmut Luft.

Nichts geht voran
Er verwies auf einen Spaziergang durch den Park der Zeiten mit der geschlossenen Villa Junghans. Die Pergola im Stadtpark sei ebenfalls gesperrt. Auf den ehemaligen Tennisplätzen, der Planie: „Keine Bewegung, keine Umsetzung – kein Bauvorhaben. Das Krankenhaus ruht nach wie vor – keine Umsetzung.“ Auch die Dauerbaustelle Gymnasium mit offenen Decken und Chemiesälen, die in der Zwischenzeit gesperrt seien, bemängelte er. Statt STEP 2040 würden „andere Dinge unter den Nägeln brennen“, schloss Maurer.
Der Sprecher der Freien/Neuen Liste Udo Neudeck schlosss sich dem im Wesentlichen an. Man könne gegenwärtig “nicht mit guten Gewissen erzählen, was wir bis 2040 vorhaben“. Man werde sonst unglaubwürdig. „Wir müssen unsere Hausaufgaben machen und sollten uns auf das Nötigste beschränken.“ Gemeint war der FNP.
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr versuchte zu vermitteln. Sie verstehe den emotionalen Hintergrund. Die Verwaltung brauche aber die Beteiligung und STEP 2040. Man könne das mit dem FNP „in einem Rutsch mitmachen“. Die Probleme im Hochbau und STEP seien „zwei Paar Stiefel. Der Kollege in der Stadtplanung kann nicht im Gymnasium die Decke hochnageln.“
Fortschreibung ausreichend?
Für die Fraktion SPD-Buntspecht sah Tanja Witkowski die STEP-Pläne ebenfalls kritisch. Der bisherige Plan sei noch nicht abgearbeitet. Sie erinnerte an die Landesgartenschaupläne. Es reiche vielleicht eine Fortschreibung. Es gebe so viele Konzepte zu Tourismus, Sportstätten, Feuerwehr, Verkehr, Parkierung. Aber die Stadt habe ein finanzielles Problem. „Es ist schwierig, die Bürger zu beteiligen, wenn wir gar keine Chance auf Umsetzung haben.“
Thomas Brantner (CDU-Sprecher) sah ein, dass die Stadt für Anträge ein STEP braucht. „Den FNP wollen wir auf jeden Fall machen.“ Es spreche aber nichts dagegen, jetzt zwei Jahre mit dem STEP zu warten.
Auch Jürgen Reuter (Aktive Bürger) meinte, man könne „abwarten, wie sich die Haushaltslage entwickelt“, und das Thema ein Jahr schieben oder den bestehenden Plan fortschreiben.
STEP 2030+ ist zu alt
Eisenlohr verwies auf das Entstehungsjahr des derzeitigen STEP, nämlich 2009. Die Stadt brauche aber das Stadtentwicklungsprogramm für Fördermittelanträge und warb dafür, wenigstens das Online-Kartentool und Pressearbeit zu machen.
Joschka Joos, erklärte, STEPs seien gesetzlich nicht vorgeschrieben. Bei einem Vorhaben wie Kehlenstraße in Waldmössingen könne man aber damit argumentieren.
Schlagabtausch
Das brachte Jürgen Kaupp (CDU) auf die Palme. Etliche Bauwillige zögen in andere Gemeinden. „Wir haben in der ganzen Stadt keine Bauplätze frei und das Regierungspräsidium sagt, es gibt keinen Bedarf. In Waldmössingen gibt es seit sieben Jahren keine Bauplätze. Da geht mir das Messer im Sack auf“, wetterte er.
„Bitte das Messer zu Hause lassen“, bat Eisenlohr. Das RP argumentiere, es gebe jede Menge Bauflächen im Innenbereich. Die Stadt habe die Eigentümer dieser Flächen abgefragt, aber nur sechs Plätze seien gemeldet worden.
„In Waldmössingen hat es geheißen, dafür habe die Stadtplanung keine Kapazität“, entgegnet Kaupp. Das habe nichts mit Kapazitäten zu tun, erwiderte Fachbereichsleiter Bent Liebrich, sondern damit, dass die Eigentümer nicht verkaufen wollten.

Zu viele unbebaute Flächen im Innenbereich
Der Gesetzgeber habe bestimmt, Innenentwicklung vor Außenentwicklung, Da seien der Verwaltung die Hände gebunden. „Wir haben viele Angebote an die Eigentümer gemacht, die nicht genutzt wurden. Es ist nicht gerecht, der Verwaltung vorzuwerfen, sie schöpfe die Potenziale nicht aus. Das hat nichts mit Kapazitäten zu tun, sondern mit den Landesvorgaben“, argumentierte Liebrich.
In Sulgen gebe es große Wiesenflächen im Innenbereich, die unbebaut seien. „Die werden uns angerechnet.“


Warum Bürgerbeteiligung?
Ralf Kopp (Freie/Neue Liste) wollte wissen, ob denn die Bürgerbeteiligung bei STEP erforderlich sei. Bei allen Planungen wie Flächennutzungsplänen oder Bebauungsplänen werde die Öffentlichkeit beteiligt, so Joos.
Liebrich ergänzte, das sei eine informelle Vorgabe. Er machte klar, bei der Bürgerbeteiligung werde man nicht „ein weißes Blatt Papier“ hinlegen und die Bürger auffordern, einfach mal etwas aufzuschreiben. Er erinnerte nochmals daran, dass die Verwaltung nur den vom Gemeinderat erteilten Auftrag umgesetzt habe und den STEP-Prozess einleiten wollte.
Ralf Rückert (Freie/Neue Liste) hielt dagegen. „Wir haben keine finanziellen Mittel.“ Er fürchte, es werde „ein Wunschkonzert geben“. Eisenlohr warb nochmals darum, wenigstens die Online-Befragung zu bewilligen. Es würden keine Millionenprojekte kommen, war sie überzeugt. Es seien oft die kleinen Dinge, die die Menschen bewegten.
Vertagen als Ausweg
Um keine Ablehnung zu kassieren – und damit das Thema für mindestens ein halbes Jahr nicht mehr bringen zu können – , schlug Liebrich vor, den Punkt zu vertagen. Die Verwaltung werde genau aufschreiben, um welche Handlungsfelder es bei der Bürgerbeteiligung gehen soll.
Tanja Witkowski sah eine Annäherung. Beim Novemberbeschluss sei es in erster Linie um Schießacker gegangen, erinnerte sie die Verwaltung. Brantner schließlich stellte einen Antrag zur Geschäftsordnung, das Thema zu vertagen. Die Verwaltung solle in einer der nächsten Sitzungen mit einer Konkretisierung kommen, über die man dann beschließen könne. Diesen Antrag nahm der Rat mit großer Mehrheit an.
Ein Blick in die Gesichter der Verantwortlichen in der Verwaltung nach der Entscheidung sprach Bände.